Vom Praktikum zum Fulltime-Job Story

Stühle aufstellen, Lichtanlage prüfen, Klavier und Mikrofone an ihre Plätze schieben – und der reparierte Kühlschrank muss auch noch aus dem Veranstaltungsraum geschafft werden. Zusammen mit Hausmeister Weiser checkt Rick sein Pflichtenheft für heute Nachmittag – am Abend gibt es ein Konzert. Dann wird sich der blank geputzte Saal in eine bunte und laute Event-Location verwandeln. Diesmal sind die Vorbereitungen Routine, denn die Jazz- und Blues-Sängerin Brenda Boykin ist mit ihrem Programm Uptown Groove schon fast ein Stammgast.

Wege aus der Werkstatt

Seit knapp drei Jahren arbeitet Rick in der Färberei. Die Arbeit mit Technik und Menschen liegt ihm. Es ist ein Außenarbeitsplatz der Troxler-Werkstätten, so heißt hier dieses Jobmodell. Begonnen hat alles mit einem Praktikum. Bis zu seinem18. Lebensjahr besuchte Rick, der durch eine verkürzte Beinsehne körperbehinDSC 0126dert ist, die Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung an der Melanchthonstraße. Danach machte er eine zweijährige Ausbildung (BSB) in den Troxler-Werkstätten. während derer er diverse Praktika in „normalen" Betrieben absolvierte. Sein Ziel dabei: eine feste Stelle außerhalb der Behinderten-Werkstatt zu finden. Rick erinnert sich: „Ich war zum Beispiel bei Rewe, da hätte ich auch bleiben können, aber der Laden lief nicht so gut und musste schließen. Danach gab es ein Praktikum in einer Autowerkstatt, das hatte mir gut gefallen, aber da konnte ich dann nicht DSC 0121übernommen werden." Auch die Arbeit in einer Schreinerei fand er prima, doch es wurde eine Auszubildende vorgezogen. Der Wunsch jedenfalls, die Werkstätten zu verlassen, blieb – hier fehlte es einfach an Abwechslung. Den ganzen Tag Papier falten oder so etwas, sagt er, das sei auf die Dauer nichts für ihn. Nach weiteren kurzfristigen Praktikumstellen kam dann die Anfrage von der Färberei.

Verlängerung bitte!

Wie viele Praktika Rick gemacht hat, weiß er nicht mehr genau, das in der Färberei jedenfalls war das wichtigste – und ein Glücksfall für beide Seiten. „Wir wollten einen festen Hausmeistergehilfen haben", sagt Geschäftsführerin Ellen Dieball. „Ich hatte bei den Troxler-Werkstätten angerufen, weil das Modell mit den Außenarbeitsplätzen uns schon mal auf einer Veranstaltung vorgestellt wurde. Wir wollten das gerne ausprobieren." Weil die Zusammenarbeit im Praktikum so gut lief und auch die „Chemie" stimmte, beschloss man zwei Mal eineDSC 0109 Verlängerung. Und für Rick war längst klar, dass er eigentlich ganz bleiben wollte: „Wir haben fast jeden Tag etwas anderes hier. Es gibt viel Abwechslung, zum Beispiel Treffen von Selbsthilfegruppen, Mieterbund und so, das muss ja alles vorbereitet werden: Türen aufschließen, Schilder aufstellen, Hefte verteilen und so weiter. Und wir machen ja auch Konzerte, Feste und Singleparties für Menschen mit und ohne Behinderung. Da habe ich mit Technik und Geräten zu tun, das finde ich auch sehr wichtig." DSC 0129Neben den vielen Veranstaltungen läuft natürlich ein tägliches Standardprogramm: Außenanlage und Eingangsbereich wollen sauber gehalten, die Blumen gegossen, Handtücher und Toilettenpapier erneuert werden. Auch das Rausstellen und Einholen der Menütafel für das kleine Restaurant gehört zur täglichen Routine. Und ständig gibt es Hefte und Flyer zum Verteilen oder Verschicken. Von Langeweile also keine Rede. Und wenn sich einmal etwas wie Leerlauf einstellen sollte, finden sich bestimmt irgendwo ein paar störende Spinnweben.

Beispiel für gelungene Inklusion

Rick, der noch bei seinen Eltern wohnt, ist jetzt einundzwanzig Jahre alt, und wenn es nach ihm geht, so kann sein Job in der Färberei noch lange so bleiben. Obwohl rein rechtlich bei den Troxler-Werkstätten angestellt, besetzt er hier eine volle sozialversicherungspflichtige Stelle mit einem 8-Stunden-Tag. Die Färberei zahlt dDSC 0150en Werkstätten hierfür monatlich eine bestimmte Summe. Das Gehalt liegt etwas höher, als in den Werkstätten, weil die Arbeit hier als schwieriger eingeschätzt wird. Doch die Vielfältigkeit der Aufgaben ist für Rick keine Belastung, sondern kommt seinem Temperament entgegen. Sein Motto: Es gibt immer was zu tun. Die normale Arbeitszeit geht von 8 bis 16 Uhr, außer wenn Events stattfinden. Dann wird es auch schon mal später. Den Trubel bei den Veranstaltungen kommentiert Rick, der am liebsten im Hintergrund arbeitet, gleichmütig professionell: „Wenn wir aufgebaut haben, können wir gehen. Es macht zwar Spaß, alles vorzubereiten, aber es ist manchmal schon viel. Deshalb bleibe ich bei den Konzerten meistens nicht dabei. Ich habe ja auch zuhause noch was zu tun." DSC04620Auch Ellen Dieball ist zufrieden: „Die Möglichkeit mit dem Außenarbeitsplatz der Werkstätten kam uns sehr entgegen. Unser Hausmeister brauchte dringend einen festen Kollegen, denn es gibt hier wirklich Arbeit für zwei. Da wir von städtischer Unterstützung abhängig sind, konnten wir leider keinen zweiten regulären Arbeitsplatz schaffen. Wir hatten als Arbeitgeber aber von Anfang an die Perspektive, dass aus dem Praktikum ein richtiger Arbeitsplatz wird. Wir haben jemanden für „immer" gesucht, erfreulicherweise war Herr Rieger genau der Richtige." Und Hausmeister Weiser stellt fest: „Ich bin froh, dass ich den Rick habe. Meistens muss ich gar nichts mehr sagen, er denkt mit und ich kann mich auf ihn verlassen."

Mit seiner Arbeit in der Färberei hat Rick Rieger nicht nur Glück gehabt. Sein Interesse und sein starker Wille, eine „richtige" Arbeit zu finden, sowie das Engagement der sozialen Netzwerke, und nicht zuletzt die offene Bereitschaft des Arbeitgebers haben zu diesem guten Ergebnis auf dem Weg der Inklusion geführt.

Roland Brokop

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